Benjamin Coulter

Wir auferbauen Menschen


Ein Stück Himmel

Freundliche Reden sind Honigseim, trösten die Seele und erfrischen die Gebeine. (Spr 16,24)
Mich hat jemand angesprochen und gleich 2 Komplimente gemacht, noch bevor wir uns vorgestellt haben. Für mich war das ein Stück Himmel, nicht wegen des Kompliments an sich – ich weiss gar nicht mehr so genau, was er an mir lobte. Ich freute mich einfach riesig über die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit mir der er sofort aussprach, was ihm Gutes aufgefallen ist.

„Liebe baut auf“, steht im 1. Korinther 8,1. Wer stolz ist, kann niemanden loben ausser sich selbst. Wer aber liebt, will möglichst viel Gutes im anderen entdecken, auch wenn das manchmal recht gut versteckt ist. Wenn er es findet, will er es auch aussprechen.

Aber gerade unter Christen erlebe ich oft, wie manchen eine Ermutigung oder ein Kompliment schon auf der Zunge liegt, sie es wirklich gerne aussprechen möchten und es dann doch nicht tun. Dann spüre ich Liebe und sehe keinen Stolz, und frag: Was nur hindert sie daran?

Über Stolz lacht niemand

Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall. (Spr 16,18)
Vor Kurzem hörte ich «Der beste Vortrag aller Zeiten». Also das ist der (leicht zynische) Titel eines Vortrages von Johannes Hartl über Stolz. https://youtu.be/kZIYvD3i1rc
Dabei ist mir etwas aufgegangen, das mir vorher so nicht bewusst war.

Hartl glaubt, dass wahrscheinlich jeder Konflikt und fast alles menschlich verursachte Leid, mit Stolz zu tun hat.

In der christlichen Theologie gilt Stoltz als die Sünde des Teufels, und Hartl erklärt, dass auch Ungläubige im Grunde mit dieser Aussage übereinstimmen.

Er sagt, wenn man den Menschen zuhört, wie sie über andere lästern, wird man vielleicht hören, wie sie sich lustig machen über jemanden, der etwas zu geizig ist, dass sie jemanden belächeln, der es mit der Ehrlichkeit nicht so genau nimmt oder mit dem anderen Geschlecht einen zu lockeren Umgang pflegt. Aber wenn über Menschen gesprochen wird, die stolz sind auf ihren Geiz oder stolz darauf, dass sie andere betrogen haben oder stolz auf ihren achtlosen Umgang mit Männern oder Frauen, dann lacht niemand. Für solchen Stolz empfinden auch Ungläubige nichts als Abscheu, dabei liegt eine Kälte in der Luft als wäre der Teufel selbst im Anmarsch.

Kein Wunder also, dass gerade Christen bei Menschen, die ihnen am wichtigsten sind, darauf achten, ja nichts zu sagen, was beim Nächsten Stolz auslösen könnte. Niemand will schuld daran sein, dass ihre lieben Glaubens-geschwister im Stoltz versinken, nur weil sie nicht auf ein gut gemeintes Kompliment verzichten konnten.

Es ist tatsächlich so: nicht nur Stolz, sondern auch die Angst vor Stolz hindert uns daran, einander zu ermutigen.

Beides ist so richtig, richtig falsch!

Wir auferbauen Menschen

Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause (1 Pet 2,5a).
Jesus war Bauarbeiter und vergleicht das Reich Gottes oft mit einem Bau: mit Ackerbau, Weinbau, dem Bau eines Tempels oder Wohnungen. Und wir sollen den Gottesdienst so gestalten, dass er für alle aufbauend ist. Wir sollen uns ausstrecken nach den Gaben des Heiligen Geistes, um damit einander aufzubauen (vgl. 1 Kor 14,12).

Aufzubauen meint wörtlich genau das, was Bauarbeiter tun. Sie heben Steine auf, die am Boden liegen, schichten sie aufeinander, sodass sie einander stützen, sodass sie gemeinsam als ein Haus sicher dastehen, welches Schutz und Geborgenheit bietet.

Petrus nutzt das als Metapher. Wir sollen einander erbauen. Das heisst einander aufhelfen, wenn jemand am Boden liegt, einander stärken, einander ermutigen, einander Hoffnung zusprechen und so aufeinander aufbauen, dass wir einander stützen, und gemeinsam als geistliches Haus stehen. Ein Haus, welches uns und andernen, Sicherheit, Schutz und Geborgenheit gibt.

Aktiv, Passiv und das Medium

Was Luther hier mit „erbaut euch“ übersetzt, wird in manchen anderen Übersetzungen mit „Lasst euch erbauen“ wiedergegeben.
Beides ist richtig.

Im Deutschen kann ein Verb entweder aktiv oder passiv sein.
„Ich mach etwas“, ist aktiv. „An mir geschieht etwas“, ist passiv.
„Ich auferbaue“, ist aktiv. „Ich werde auferbaut“, ist passiv.

Im Griechischen gibt es eine weitere Verbform, die wir nicht haben. Nämlich das Medium. Ein Verb im Medium ist etwas, das ich tue aber auch auf mich selbst zurückwirkt. Oder etwas, das passiv an mir geschieht, mich aber auch zum aktiven Handeln bewegt.

Hier steht erbauen im Medium und meint beides, dass wir andere erbauen und selbst erbaut werden.

…dann haben wir nichts, worauf wir stolz sein könnten.

… zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. (1 Pet 2,5b)
Für was machen wir das? „Zur heiligen Priesterschaft“. Es ist wichtig, dass wir einander aufrichten, damit wir gemeinsam vor Gott stehen. Priesterschaft heisst, vor Gott zu stehen.
Das tun wir, um „geistliche Opfer“ zu bringen. Geistliche Opfer sind Geschenke, die wir Gott machen. Nur, was können wir Gott schon schenken? Nach Psalm 50,14 wünscht sich Gott unsere Dankbarkeit und Treue zu unseren Versprechungen. Laut Hebräer 13,15f hat Gott Gefallen an unserem Lob und wenn wir Gutes tun, bzw. das Gute, welches wir haben, miteinander teilen. Und nach Römer 12,1 sind wir selbst ein heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer.

Das grösste Geschenk, das wir Gott machen können, ist, wenn wir nicht nur das, was wir haben, sondern auch alles, was wir sind, Ihm völlig hingeben.
Der letzte Teil des Satzes „durch Jesus Christus“, ist besonders wichtig.

Wir auferbauen durch Jesus Christus.

Das ist der beste und vielleicht einzige Schutz vor Stolz.

Durch Jesus, heisst: in seinem Namen und nicht in unserem Namen.

Durch Jesus, heisst: durch seine Kraft, nicht durch unsere.

Dann bekommt er alle Ehre und wir haben gar nichts, worauf wir stolz sein könnten.
Aber wir sind auferbaut, ermutigt, gestärkt und stehen sicher vor dem heiligen Gott.

Amen.
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