Benjamin Coulter

Berufen zum (Miss-)Erfolg


Preis der Nachfolge

Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein. Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen […]. So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein. (Lk 14,27f.33).
Wir alle sind eingeladen, Gottes Kinder zu werden. Das kostet uns nichts, dafür hat Jesus schon alles bezahlt. Wir sind auch eingeladen, Jesus nachzufolgen und seine Jünger zu werden. Das kostet uns alles.
Jesaja folgte Gottes Ruf, dafür zahlte er einen hohen Preis, denn Gott hat ihn sozusagen zum Misserfolg berufen.

Usija stirbt

In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel. (Jes 6,1)
Das ist eine ziemlich genaue Datierung, je nach Historiker 740 oder 742 v. Chr.
Der Tod eines Königs als Referenz ist ungewöhnlich. Hier aber auch Teil der Botschaft.
Usija wurde schon mit 16 gekrönt und erwies sich als mächtiger König. Er war gottes-fürchtig und erfolgreich. Er förderte die Landwirtschaft und rüstete Juda auf zur neuen militärischen Grösse. Doch sein Erfolg stieg ihm zu Kopf. Er masste sich an, selbst im Tempel zu opfern. Dies war aber nur den Priestern gestattet. Als diese Usija zur Rede stellten, wurde er zornig. Noch während seines Wutausbruches strafte ihn Gott mit Aussatz. So wurde Usija von seinem Volk ausgeschlossen und lebte abseits bis zu seinem Tod (vgl. 2 Chr 26).

Könige und Königreiche kommen und gehen. Genau davon spricht Jesaja immer wieder und warnt die Israeliten sich nicht auf Menschen zu verlassen (vgl. Jes 2,22; 31,1-3; 36,6).

Gott der Armeen

Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! (Jes 6,3)
Zebaoth heisst Kriegsheere. HERR Zebaoth ist also der Gott über alle Kriege, allen Waffen und allen Machthabern.
Von den Ägyptern (denen sie früher als Sklaven dienten) erhofften sich die Judäer Schutz. HERR Zebaoth heisst, dass nur Gott wirklich schützen kann. Von den Assyrern wurden sie bedroht. HERR Zebaoth heisst, dass die Assyrer an sich gar keine Macht haben. Sie sind nicht mehr als ein Stock, mit dem Gott sein Volk bestraft (vgl. Jes 10,5.15).

Zu Tode erschrocken

Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen (Jes 6,5; vgl. Mt 15,11).
Vor diesem Gott über allen Mächten steht nun Jesaja. In seiner Erzählung fällt auf, wie sorgfältig er darauf verzichtet, Gott selbst zu beschreiben. Hoch und erhaben ist der Thron auf dem Gott sitzt. Gott aber ist sehr viel mehr als das.

Jesaja beschreibt die Engel, die bei Gott sind. Das sind keine nackten fliegende Babys, wie wir sie in der Kunst antreffen. Er nennt sie Serafim, das heisst Brennende. Sie sind fliegende Feuerwesen, vielleicht vergleichbar mit Drachen, also die gefährlichsten Kreaturen, die unsere Fantasie sich erdenken kann. Sie bedecken sich – möglicherweise um Jesaja vom Licht und der Hitze, die von ihnen ausgehen, zu schützen. Rauch geht von ihnen aus und ihre Stimme ist so gewaltig, dass die Fundamente vom himmlischen Tempel beben. Gott aber ist sehr viel mehr als das. Seine Grösse ist derart überwältigend, dass selbst diese Feuerwesen in Ewigkeit nicht aufhören können, einander zuzurufen, wie heilig, wie mächtig und wie herrlich er ist.

Jesaja erschrickt zu Tode. Er weiss, das ist unendlich mehr als er ertragen kann. Er ruft aus: „Weh mir ich vergehe!“, so wie wenn ein Astronaut aus einer Space-Kapsel aussteigen würde und realisiert, dass er nicht auf dem Mond, sondern auf der Sonne gelandet ist.

Konfrontiert mit Gottes Heiligkeit muss ihm niemand erklären, was sein Problem ist, er weiss es ganz genau: Er hat unreine Lippen. Wieso gerade die Lippen? Ist nicht alles andere an ihm genauso unrein? Ja schon, aber Jesaja erkannte richtigerweise, wie entscheidend alles ist, was über seine Lippen kommt.

Bereits Salomo sagte, dass unsere Worte Macht haben über Leben und Tod (vgl. Spr 18,21). Laut Jakobus ist jemand, der sich in Worten nicht verfehlt, vollkommen (vgl. Jak 3,2). Aber unsere Zunge „befleckt den ganzen Leib und zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet“ (Jak 3,6). Jesus sagt: „Nicht was in den Mund eingeht, verunreinigt den Menschen, sondern was aus dem Munde ausgeht“ (Mt 15,11).

Ein besseres Opfer

Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. (Jes 6,6f)
Wegen seinen Sünden kann Jesaja unmöglich vor Gott bestehen. Aber durch die Berührung mit einer glühenden Kohle aus dem Altar ist er jetzt völlig frei von Schuld.

Was das für ein Altar ist, erfahren wir bei Mose. Auch Mose sah die himmlische Wohnstätte Gottes. Er hatte den Auftrag, eine Nachbildung davon zu bauen (vgl. 2 Mo 25,40), die sogenannte Stiftshütte. Damit wir uns vorstellen können, was es heisst, vor Gott zu kommen: Im Eingangsbereich steht ein Brandopfer Altar. Dort brachten Menschen Opfer, um damit symbolisch ihre Sünden zu verbrennen.

Der Altar bei Jesaja ist aber nicht von Menschen gemacht, es gibt auch keine Menschen, die dort opfern. Es werden auch nicht Tiere verbrannt, welche nur äusserlich darauf hinwiesen, dass jemand anderes für unsere Schuld sterben muss.

Es ist das Original, von Gott selbst errichtet. Dies lässt uns erahnen, dass Gott auch selbst darauf opfert. Dadurch werden wir tatsächlich von Schuld befreit. Hier haben wir einen ersten Hinweis auf Jesus, der sich stellvertretend für uns als Opfer hingab (vgl. Hebr 9,9-14).

Wie wir im Verlauf dieser Predigtserie noch sehen werden, werden bei Jesaja solche Hinweise auf die Erlösung durch einen „Gottesknecht“ immer konkreter.

Wer will unser Bote sein?

Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich! (Jes 6,8)
Nun ist Jesaja also vor dem heiligen Gott, er ist selbst geheiligt, so dass er vor ihm bestehen kann. Und da in Gottes Nähe hört er auch, was Gott bewegt.
Nicht weil er muss, nicht weil Gott ihn dazu auffordert, aber weil er weiss, was Gott am Herzen liegt. Deshalb meldet er sich, dass er sich dafür gerne einsetzen lässt.

Dafür zahlt Jesaja einen hohen Preis. Für ihn ist das aber kein Unrecht, sondern ein Vorrecht. Nicht etwas, das von ihm genommen wird, sondern etwas, das er geben kann.

Im Buch „Soul-Powerd Prayers“ erklärt Rabi David Aaron, dass wir uns dann mit Menschen verbunden fühlen, wenn wir ihnen etwas geben. Wenn wir andern alles von uns geben aber nicht zulassen, dass sie uns beschenken, haben sie nicht die Möglichkeit, uns zurückzulieben. Daraus folgert Aaron: „Das grösste Geschenk, was Gott uns gibt, ist die Möglichkeit ihm (etwas) zu geben“.

Berufen zum Misserfolg

Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht! Verstocke das Herz dieses Volks und lass ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen. (Jes 6,9f)
Jesaja soll den Israeliten verkünden, dass Gott wütend ist mit ihnen, dass Gott sie bestrafen wird, sie durch die Assyrer fast ganz ausrottet und der kleine Überrest später durch die Babylonier umhauen lässt, wie man einen Baum fällt. Gleich zu Beginn sagt ihm Gott, dass sie nicht auf ihn hören werden. Jesaja wurde laut jüdischer Überlieferung für seine Prophezeiungen zum Tod verurteilt. Er flüchtete und versteckte sich im Stamm einer Zeder, worauf der König den Baum durchsägen liess.

Grösster Tröster aller Zeiten

Wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein. (Jes 6,13)
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. (Jes 42,3)
Jesaja wusste, dass er zu seinen Lebzeiten kein Erfolg für seine Mühe sehen wird. Und doch ist er der erfolgreichste Prophet im Alten Testament. Niemand wird so oft von Jesus oder überhaupt im Neuen Testament zitiert wie Jesaja. Kein anderer Prophet hat das kommende Heil durch Jesus so deutlich vorausgesehen. Auf wundersame Weise vermittelt Jesaja, durch alles Unheil hindurch, auch eine unumstössliche Hoffnung. Auch wenn Juda umgehauen wird, wie ein Baum, bleibt der Stumpf doch voller Leben. Daraus spriessen grüne Triebe. Diese wachsen durch das ganze Buch Jesaja bis ins neue Jerusalem hinein; durch den Terror der Assyrer, durch die Gefangenschaft der Babylonier, durch die Konzentrationslager des 2. Weltkrieges, bis hin ins ewige Himmelreich.

Trotz allem gehört Israel zu Gott und ist deshalb unkaputtbar.
Trotz allem ruft Gott auch dich. Wenn du zu ihm gehörst, wird er auch dich niemals aufgeben.
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